Tschechien                                                        Angelika Gutsche

Tschechien: Das Lipno-Gebiet in Südböhmen
 

Reisezeit 22. Mai bis 26.Mai 2018

 

stepmap-karte-lipno-gebiet-1807775(1)

 

Bei schönstem Sonnenschein fahren wir die landschaftlich so reizvolle Strecke durch den Bayerischen Wald über Grafenau und Freyung zur tschechischen Grenze. Die Strecke ist gesäumt von Waldgebieten mit vor Gesundheit strotzenden Tannen, die ihre hohen Wipfel in den tiefblauen Frühlingshimmel recken.

Als wir die Grenze erreichen, wird’s gleich richtig „ausländisch“. Statt Euro gibt’s tschechische Kronen (100 K sind rund 4,50 €) und die Sprache wechselt auch. Der Grenz-Supermarkt ist mit den üblichen Duty-Free-Artikeln bestückt, auch wenn es kein Duty-Free mehr gibt, man reist innerhalb der EU. Wir kaufen eine Flasche tschechischen Wein, der soll abends gekostet werden. Neben dem Supermarkt gibt es hier auch ein Café und ein Restaurant und einige etwas undurchsichtige Etablissements.

Der Bayerische Wald heißt jenseits der Grenze Böhmerwald, die Gegend erscheint etwas lieblicher. Die tschechischen Dörfer sind im Vergleich zu den bayerischen eine Spur einfacher. Sympathisch.

Schon bald erreichen wir die zum Lipno-Stausee aufgestaute Wolga, die auf Tschechisch Vltava heißt.  Etwa eineinhalb Kilometer vor der Ortschaft Horní Planá folgen wir spontan einer Ausschilderung zu einem Campingplatz: Kemp u Kukačka (www.kemp-lipno.cz/de/). Über einen kleinen Bahnübergang und vorbei an dem hübschen Restaurant Tothos mit Terrasse geht’s runter zum See.

Horni Plana

 

Das war ein Glückstreffer! Der großzügig angelegte Campingplatz liegt weit ab der Seestraße und verfügt über einen schönen, langen Strand. Wir suchen die neben dem Bistro gelegene Anmeldung auf und mieten uns ein sogenanntes Mobilhome für 600 K/Tag (27,30 €) plus Stellplatz plus Hund. Das sind schon sehr günstige Vorsaisonpreise. Wie wir aus der Preistabelle ersehen, sind in der Saison andere PreisMobilhomee an der „tschechischen Riviera“ angesagt.

Unser Mobilhome hat einen hölzernen Terrassenvorbau, einen geräumigen Salon, eine kleine Küche, ein kleines Bad und zwei winzige Schlafzimmer. Passt schon. Als erstes machen wir einen kleinen Spaziergang hinunter zum See und entlang des Ufers. Als wir uns genug Appetit angelaufen haben, gehen wir das Sträßchen zurück, vorbei an den Weiden mit Schafen, Ziegen, Kühen und Pferden, hoch in das unterwegs gesichtete Restaurant Tothos (www.ukukackulipno.cz).

Der georderte Zigeuner-Bohnen-Eintopf mit Rindfleisch schmeckt sehr lecker! Mit Getränken zahlen wir für zwei Personen schlappe 25 Euro.

Nach dem Essen gibt’s noch einen Verdauungsspaziergang mit unseren zwei Hunden am See. Überraschung: Unsere Hunde benehmen sich hier auf dem Campingplatz vorbildlich. Wer hätte das gedacht? Sind doch brave Tiere! Der Himmel bewölkt sich, Wind kommt auf und wir verziehen uns in unser Mobilhome, denn es bricht ein echt fieses Gewitter los.

Lipno-See

Adalbert Stifters Geburtsort Horní Planá (Oberplan)

Am nächsten Tag fahren wir in die Ortschaft. Horní Planá (Oberplan) ist der Geburtsort von Adalbert Stifter (1805 – 1868). Sein Geburtshaus liegt direkt an der Durchgangsstraße. Es beherbergt eine Ausstellung zum Leben und Werk des Dichters mit Totenmaske, Sargschlüssel, Siegelring und seinem Zylinder.

Geburtshaus Stifter

1842 verfasste Stifter die Dichtung Der Hochwald, in der auch Oberplan eine Rolle spielt. Seine Kindheit im Böhmerwald ist die wichtigste Inspirationsquelle für sein späteres Schaffen. Stifter war Verfechter eines sogenannten „sanften Gesetzes“, das besagt, „alles Stille, Kleine und Gewöhnliche sei der Ursprung alles Großen und Edlen“. Zu seinen Dichtungen gehört auch Bergkristall (1853), 2004 von Josef Vilsmaier verfilmt. Stifter meets Vilsmaier, daraus resultierend ein rührseliger Weihnachtsfilm für Kinder.

Die Umstände von Stifters waren tragisch und sind nicht restlos geklärt. Der schwer dem Alkohol verfallene Stifter soll sich mit einer Rasierklinge selbst die Gurgel durchschnitten haben. Doch war dies wirklich die Todesursache? Und falls ja: War es Selbstmord oder ein Unfall?

Stifter Totenmaske

Anlässlich des heuer begangenen 150. Todestages von Adalbert Stifter hatte ich einige seiner Novellen gelesen. Die perfekte Einschlaflektüre, friedlicher Schlummer anschließend garantiert. Wie bezeichnete ihn doch Thomas Mann: „Ehrenretter der Langeweile“.

Stifter Ausstellung

Da Stifters Vater Flachshändler und Weber war, befindet sich im ersten Stock des Geburtshauses eine Ausstellung über Flachsverarbeitung. Im Innenhof des Gebäudes hat eine Fotoausstellung das Moldau-Flusstal und dessen Veränderung der Landschaft und Menschen im Laufe der Zeit zum Thema.

Der Bau des Moldau-Staudamms erfolgte in den 1950er Jahren als Hochwasserschutz für Prag und Budweis. Das Moldau-Tal wurde geflutet und bildet seitdem den fischreichen Lipno-Stausee, das „Böhmische Meer“, mit einer Länge von 45 Kilometern und einer Breite bis zu 4 Kilometern.

Es ist unglaublich, dass diese umwälzenden Veränderungen bei Landschaft und Menschen, wie in der Fotoausstellung dokumentiert, in nur so kurzer Zeit erfolgten.

Während das Südufer des Lipno-Sees immer noch naturbelassenes Wandergebiet ist, hat sich das Nordufer in eine Touristenhochburg mit einem Campingplatz am anderen verwandelt. Überall bietet man Kanutouren an, geeignet auch für Familien mit Kindern. Ein im Hochsommer von Badefreunden, Surfern und Seglern überlaufenes Freizeitparadies. Für den, der’s mag.

Wir verlassen Stifters Geburtshaus und folgen dem Sträßchen links davon den Berg hinauf. Es führt uns zum bronzenen Adalbert-Stifter-Denkmal aus dem Jahre 1906.

Stifter Denkmal

Nun ist Stärkung angesagt. Auf dem Weg zurück zum Campingplatz machen wir wieder im Restaurant Tothos Halt und testen die Qualität des Lipno-See-Zanders. Auf Rahmspinat mit Röste mundet er köstlich! Espresso und Apfelstrudel runden das Menü ab.

Abends ziehen über dem See schon wieder schwere Gewitter auf.

Weltkulturerbe: Český Krumlov (Krumau)

Am nächsten Morgen haben sich die Nebelschwaden über dem See verzogen, die Sonne bricht durch die Wolken und die Sicht auf die umliegenden Berge ist wieder klar. So entschließen wir uns nach dem Terrassenfrühstück zu einem Ausflug in das etwa dreißig Kilometer entfernte Český Krumlov, ein mittelalterliches Städtchen, das zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde.

Karte Cesky Krumlov

Nach dem wir auf einem der gut ausgeschilderten Parkplätze unseren Wagen abgestellt haben, spazieren wir über eine Moldaubrücke in den alten Stadtbezirk, der eigentlich aus drei Teilen besteht: dem Schloss, der Altstadt und dem Latrán-Viertel. Ein historisches Denkmal in Form eines Gesamtkunstwerks, von einer Moldauschleife umschlossen. Pro Jahr kommen weit über eine Million Besucher in die Stadt, die nicht nur Kulturinteressierten vieles bietet, sondern auch für sportlich mehr oder weniger Ambitionierte Kanufahrten zwischen 5 und 35 Kilometer Länge oder Floßfahrten im Angebot hat.

Cesky Krumlov Kanufahrten

Von der Unterburg Latrán aus passieren wir das Rote Tor, um zuerst die zweitgrößte Schlossanlage Böhmens zu besichtigen. Latrán war ehemals der Wohnort der Schlossbediensteten. Und so erklärt sich die Aufschrift des Tores: „Höre zu, beobachte und schweige, wenn du in Frieden leben willst“. Wenn das keine Drohung war.

1253 wurde die Burg als Sitz der sagenumwobenen Witigonen zum ersten Mal erwähnt, ging dann an das Geschlecht der Rosenberger. Im 16. Jh. erfolgte der Umbau der gotischen Burg in ein Renaissanceschloss, das mehrmals den Besitzer wechselte.

Cesky Krumlov  Sonnenuhr

Die Schlossanlage umfasst fünf Höfe, umgeben von Gebäuden mit ihren Zimmerfluchten. Vom zweiten Schlosshof mit der kleinen Burg kann man den 55 Meter hohen, mit alchimistischen und astrologischen Zeichen bunt bemalten Turm besteigen und die herrliche Aussicht auf die umliegende Landschaft genießen.

Cesky Krumlov Burghof1

Über den dritten und vierten Schlosshof gelangt man in die obere Burg. Diese Höfe sind im Renaissancestil gestaltet und weisen eine reiche Bemalung auf. Die Zimmerfluchten der Oberen Burg mit ihren möblierten Salons, Speise- und Schlafzimmern sowie den beiden Schlosskapellen können besichtigt werden. Sehr eindrucksvoll ist der Maskensaal, der seinen Namen seiner Wandbemalung verdankt. Es ist ein Maskenball mit 135 Figuren dargestellt, deren vorherrschende Motive der italienischen commedià dell’arte entnommen sind.

Cesky Krumlov Burghof 3

Über die sogenannte Mantelbrücke, die eine Felskluft überspannt, erreicht man einen weiteren Schlosshof. Von hier aus sind der Schlossgarten und das entzückende Barocktheater aus dem 18. Jahrhundert erreichbar, das zu den ältesten erhaltenen Barocktheatern der Welt zählt. Einen Besuch dieses Theaterjuwels mit seinen dreizehn szenischen Bühnenbildern, Kostümen, Requisiten und Effektmaschinen sollte man sich keinesfalls entgehen lassen.

Beim Besuch des elf Hektar großen Schlossgartens entdeckt man nicht nur eine Reithalle, einen Kaskaden-Neptun-Brunnen und das Lustschloss Bellarie, sondern im hinteren Teil auch einen im englischen Stil angelegten Garten mit Teich. Und zu guter Letzt staunt man über die riesige drehbare Zuschauertribüne, auf der im Sommer Besucher Theateraufführungen genießen können.

Zurück geht’s in den Stadtteil Latrán mit seinen engen Gässchen. In den alten Bürgerhäusern, bemalt mit Symbolen aus der Kabbalistik und Alchemie, haben Hotels, Restaurants, Cafés und Souvenirläden Einzug gehalten haben.

Cesky Krumlow Latran

Es sind viele Touristen, vor allem aus asiatischen Ländern, unterwegs, doch so überfüllt wie im Sommer ist es nicht. In den Schmuckläden werden vor allem Kleinodien aus Bernstein angeboten. So ein Bernsteinschmuck in diesen warmen Honigfarben – wie schön!

In einem kleinen Laden fällt mein Blick auf kleine, quadratische Ohrstecker. Der Preis: 18 Euro. Wir fühlen uns von der Verkäuferin gut beraten, die uns erklärt, der Bernstein käme aus Polen. Da muss ich noch nachlegen und nehme einen Armreif dazu. Dieser Schmuck wird mich auf den kommenden Reisen als Glücksbringer begleiten.

Über die hölzerne Bader-Brücke machen wir uns auf den Weg zum Náměsti-Svornosti-Platz (Platz der Eintracht) im Herzen der Altstadt. Wir passieren wunderschöne Bürgerhäuser mit Bemalungen aus der Renaissance oder sogar noch aus der Zeit der Gotik. Der Náměsti-Svornosti-Platz stellt ein wunderschönes Ensemble mit Renaissance-, Barock- und klassizistischen Fassaden dar. Heute beherbergen die Gebäude das Rathaus mit einem Folterkellermuseum, Restaurants und Hotels. In der Mitte des Platzes prangt eine der Jungfrau Maria geweihte Pestsäule aus dem Jahre 1715, an die sich ein Brunnen aus dem 19. Jahrhundert anschließt.

Cesky Krumlov Altstadt

In der – vermutlich im 13. Jahrhundert – im gotischen Stil erbauten St.-Veitskirche mit wunderbarem Netzgewölbe findet sich die Nepomuk-Kapelle, die letzte Ruhestätte einiger der von Schwarzenberg.

Nun folgen wir der Straße Horní mit der Propsteikirche aus dem Jahre 1439 mit ihrer barocken Innenausstattung, nicht weit davon entfernt das Renaissance-Jesuitenkolleg, heute Nobelhotel.

Weiter geht’s durch die Altstadtgässchen mit ihren vielen Erkern und Giebeln zum Marionettenmuseum mit 200 historischen Exponaten aus aller Welt.

Cesky Krumlov Tor

Das Highlight bildet jedoch ein Besuch im Egon-Schiele-Kunst-Zentrum. Etliche Arbeiten des Expressionisten werden hier gezeigt sowie von ihm entworfene Möbelstücke. Im Mai 1911 zog Schiele für kurze Zeit von Wien die Heimatstadt seiner Mutter Krumau, angezogen von romantischen Vorstellungen über „dunkle Wasser, krachende Bäume, wilde Lüfte, modrige Gartenzäune und zitternde Blätter“, wie er sich in einem Brief ausdrückte. Mit seiner Muse Wally, die auch für ihn Modell stand, mietete er sich ein Häuschen, in dessen Garten er sehr zur Empörung seiner Nachbarn die nackte Wally malte. Die Mädels der Stadt drängten sich danach, ihm in gewagten Posen Modell zu sitzen – die Mitbürger waren empört und ekelten Schiele nach nur drei Monaten aus dem Städtchen. Er zog zurück nach Wien, wurde weltberühmt und starb jung mit nur 28 Jahren an der Spanischen Grippe. Heute ist Český Krumlov stolz auf den Aufenthalt des verruchten Künstlers und weidet ihn hemmungslos touristisch aus.

Wer immer noch nicht genug von Besichtigungen hat, kann über die Ed.-Beneš-Brücke in den Stadtteil Plešivec gelangen und dort das Fotomuseum der Familie Seidel besuchen: Das Atelier zeigt Arbeiten der Familie Seidel, die als Chronisten des Böhmerwalds gelten.

Nach so viel Sightseeing haben wir uns eine Pause verdient. Wir kehren in einem der Altstadt-Restaurants ein, deren Terrassen direkt an der Moldau liegen. Während wir den Kanuten beim Paddeln zusehen, lassen wir uns ein Gulasch mit den von mir so geliebten böhmischen Knödeln, auch Serviettenknödeln genannt, schmecken. Dazu ein Budweiser Bierchen. So schön kann Urlaub sein!

Cesky Krumlov  Altstadtgasse

Burgen und Schlossgespenster: Rožmberk nad Vltavou (Rosenberg an der Moldau)

Abends und nachts donnert und blitzt es erneut und wahre Sturzfluten prasseln vom Himmel. Am Morgen ist die Luft gereinigt und die Sonne strahlt. Also auf zum an der Moldau gelegenen Bergstädtchen Rožmberk mit seiner Burg, das der Reiseführer als beispielhaft für eine Böhmerwald-Ortschaft bezeichnet.

Wir fahren nach Navi, das uns in Frymburg weg von der Hauptstraße auf ein schmales, nagelneues Sträßchen leitet, das noch in keiner Karte verzeichnet ist. So kommen wir in den Genuss einer zauberhaften Natur. Auf unserer Fahrt durch Nadelwälder hinauf in die Berge begegnen wir so gut wie keinem anderen Fahrzeug. Dafür kreuzt ein Rehbock unseren Weg, der uns etwas schräg beäugt. So ein richtiges Adalbert-Stifter-Erlebnis. Bei 800 m Höhe erreichen wir ein kleines Dorf mit Gasthaus, von dem aus ein Sträßchen hinunter nach Rožmberk führt.

Dieses Sträßchen endet praktisch am „Hintereingang“ von Rožmberk. Die Hauptstraße des Ortes ist aufgerissen und wird saniert. Kein Durchkommen. Also parken wir und machen uns zu Fuß auf den Weg über die Moldaubrücke und beginnen den Aufstieg zum malerisch über Ort und Fluss thronenden Schloss.

Ro?mberk nad Vltavou

Die Burg soll von dem legendär reichen Ritter Witiko, den Adalbert Stifter in seinem gleichnamigen Roman verewigte, gegründet worden sein. Der Mythos besagt, dass Witiko, der 1194 starb, sein Erbe unter seinen fünf Söhnen aufteilte. Jeder Sohn bekam dazu eine Rose in jeweils einer anderen Farbe: golden, silbern, rot, grün und schwarz. Die Söhne machten verschiedene Burg zu ihren Sitzen und die jeweiligen Rosen fanden in das Wappen der Burgherren Eingang.

Da in einer echten Ritterburg das Gespenst nicht fehlen darf, geistert in Rožmberk eine weiße Frau durch das Schloss, die von Franz Grillparzer in der Tragödie „Die Ahnfrau“ verewigte wurde. Die weiße Frau findet sich abgebildet auf einem Gemälde im Rosenberg Saal der Burg. Es handelt sich um die 1430 geborene Berta von Rosenberg, die als 16-jährige zwangsverheiratet wurde, sich während ihrer Hochzeitsfeier aber noch einmal mit ihrem Geliebten, dem schmucken Grafen Sternberk traf. Ihr Gatte erfuhr davon und verfolgte sie bis zu ihrem Tod mit unstillbarem Hass. Seither muss die Unglückliche nachts durch die Gemächer geistern.

Spukgeschichten machen hungrig. Also runter von der Burg, über die Moldau ins Restaurant am Hauptplatz. Auf einer Terrasse an der Moldau beobachten wir die ablegenden Kanuten. Das Essen suche ich nach der Beilage aus: Es müssen wieder böhmische Knödel sein, auch wenn die Moldau-Forelle fast ebenso verlockend ist. Aber dazu passen halt keine Knödel.

Das Zisterzienserkloster von Vyssi Brod (Hohenfurth)

Von Rožmberk nad Vltavou nach Vyssi Brod führt eine gut ausgebaute Straße entlang der Moldau. Vyssi Brod ist berühmt für sein Zisterzienserkloster aus dem Jahre 1259, das an der Straße Richtung Lipno liegt. Erbaut wurde es von Peter Wok II. aus dem Geschlecht der Rosenberg. 1941 wurde das Stift von den Nazis geschlossen. Nachdem es 1990 an die Zisterzienser zurückgegeben wurde, beherbergt es heute einige wenige Mönche. (Visueller Rundgang: https://www.klastervyssibrod.cz)

Vyssy Brod

Dazu muss man wissen, dass Tschechien ein wahrhaft säkulares Land ist. Bei der Volkszählung 2011 bekannten sich nur 20 Prozent der Tschechen zu einer Konfession, davon 10 Prozent zur römisch-katholischen Kirche. Geradezu als Volksheld wird dagegen der Priester Jan Hus verehrt, der 1402 begann, im Böhmerwald in tschechischer Sprache zu predigen. Der Reformator kritisierte die Habsucht und das Lasterleben der kirchlichen Würdenträger und verlangte, dass die Bibel wieder zur Grundlage der kirchlichen Lehre werden solle. Die katholische Kirche machte kurzen Prozess und verurteilte Jan Hus auf dem Konzil von Konstanz als Ketzer zum Tod auf dem Scheiterhaufen. Am 6. Juli 1415 wurde das Urteil vollstreckt. Doch Hus‘ Lehre verbreitete sich weiter und seine Anhängerschaft wuchs. Die Hussiten formierten sich und 1419 kam es zum sogenannten Ersten Prager Fenstersturz. Zwei katholische Ratsherren wurden von Hussiten aus dem Fenster des Rathauses geworfen, was der Auftakt einer Revolte war. In der Schlacht am Veitsberg konnten die Hussiten, unterstützt vom böhmischen Adel, die gegen den König eingestellt waren, das zahlenmäßig weit überlegene päpstliche Kreuzfahrerheer besiegen. Sechzehn Jahre dauerte der Kampf, bis die römisch-katholische Kirche die Oberhand gewann und die Hussiten endgültig besiegte.

Doch zurück zum Zisterzienserkloster in Vyssi Brod und zu den Gruselgeschichten. Die Rosenberger haben hier nämlich ihre Familiengruft, das letzte Familienmitglied wurde 1611 beigesetzt. Und die Legende besagt, jedes Jahr an Allerheiligen um Mitternacht steigen die Rosenberger aus ihrer Gruft empor, um sich in der Domkirche zu versammeln.

Wir schließen uns einer Führung an, die leider auf Tschechisch ist, doch wir bekommen eine Beschreibung mit deutschem Text ausgehändigt. Die Domkirche wirkt nicht wirklich gruselig, hat einen Barockaltar aus dem 14. Jahrhundert, zwei Orgeln und ein beeindruckendes Chorgestühl. Danach geht’s in die Gemäldegalerie mit einer Sammlung von Madonnenbildern. Mein Herz höher schlagen lässt allerdings die wunderbare Klosterbibliothek aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, die in zwei prächtigen Sälen über 70.000 Bände beherbergt.

Vyssi Brod Klosterhof

Es ist später Nachmittag und wie üblich um diese Zeit zieht sich der Himmel zu und es beginnt zu regnen.

Wanderungen im Böhmerwald

Ab jetzt ist Erholung angesagt. Da es zum Baden einfach noch zu kalt ist, wollen wir wandern gehen, soweit es die Kräfte unseres doch schon etwas betagten Schäferhundes zulassen. Von Nov Pec aus heißt es, den Nationalpark Šumava zu erkunden. Jede Menge ausgeschilderter Wander- und Radwegen führen durch dunkle Nadel- und Mischwälder hinauf zu Burgruinen und Hochmooren.

Böhmerwald Brunnen

Wanderungen starten kann man allerdings auch von Frymburk aus. Von hier bringt uns eine Fähre an das Südufer des Sees. Ein markierter Wanderweg führt in etwa zwei Stunden zur frühgotischen Burgruine Wittinghausen in 1032 m Höhe. Das ist der Schauplatz des Stifter-Romans Witiko.

Wieder in München nehme ich mir den Witiko mit seinen über tausend Seiten vor. Ein wohlig-friedliche Schlummer ist mir in den nächsten Wochen gewiss.

Böhmerwald Pilz

AHOJ! (Servus)

Lit.:
 „Tschechien“ (Michael Bussmann/Gabriele Tröger) Michael Müller Verlag – Individuell reisen, 2015
 Broschüre „
Český Krumlov

[Gutsche] [TSCHECHIEN] [Anreise] [ITALIENREISEN] [BALKAN] [Kontakt]