Bergwelt GR AL


Unterwegs
in der nordgriechischen und
südalbanischen Bergwelt


Diese Reise führt in das in Nordgriechenland und Südalbanien gelegene Pindos-Gebirge. Daneben besuchen wir die Stadt Ioannina, die Meteora-Klöster und antike Ausgrabungsstätten wie Dodona in Griechenland oder Amantia in Albanien.

 

Karte Reisebericht GR AL 2011

Juli/August 2010

INHALT

01

Ankunft in Igoumenitsa

02

Sagiada und ein Tag am Meer

03

Das Dorf Polidroso und seine Bewohner

04

Lista und sein Nymphäum

05

Das Pindos-Gebirge und die Vikos-Schlucht

06

Auf archäologischem Gelände

07

Ioannina und die Tropfsteinhöhlen von Perama

08

Das Baumheiligtum von Dodona

09

Besuch der Meteora-Klöster

10

Durch die Bergwelt des Pindos-Gebirges zurück nach Ioannina

11

Zur albanischen Grenze

12

IN ALBANIEN

13

Durch die albanische Bergwelt

14

Die antike illyrische Siedlung Amantia

15

Nach Vlora und entlang der adriatischen Küste

16

An der albanischen Riviera

17

Saranda und das antike Buthrotum

18

Wieder in Griechenland

01 Ankunft in Igoumenitsa
Morgens um fünf läuft unser Schiff von Italien kommend im Hafen von Igoumenitsa ein. Es ist Ende Juni und wir haben eine unglaubliche heiße Nacht auf der Fähre bei der Überfahrt von Brindisi nach Igoumenitsa verbracht. “Camping on Bord” nennt sich diese Art der Beförderung, bei der man auf dem Parkdeck im eigenen Camper übernachtet – bei über vierzig Grad Celsius war das in unserem VW-Bus wahrlich kein Vergnügen. Auch unser Wolfi hatte schon bessere Nächte verbracht. Von der nördlichsten Hafenstadt Griechenlands sind es keine dreißig Kilometer zur albanischen Grenze.

Griechenland  Igoumenitsa

02 Sagiada und ein Tag am Meer
In Igoumenitsa erwacht gerade das Leben, die ersten Läden und Kafenions öffnen. Wir nehmen die Gelegenheit wahr und frühstücken mit Cappuccini und leckeren Apfel-Zimt-Taschen bevor wir Richtung albanischer Grenze fahren. Kurz nach dem Ort Sagiada halten wir in einer sehr schönen Bucht. Gar nicht weit entfernt kann man die Silhouette der Insel Korfu ausmachen. Dieser Tag wird unglaublich heiß, kein Lüftchen weht, so dass wir erst abends mit dem Auto losfahren, um die Küste zu erkunden. Eine Fischfarm folgt auf die nächste bevor die Straße kurz vor der albanischen Grenze in einen Sandweg übergeht.

Griechenland Bucht bei Sagiada

Wir machen kehrt und besuchen eine der hübschen Tavernen im malerischen Hafen von Sagiada. Bei Tsatsiki, Souvlaki, griechischem Salat und einem herben Retzina, beobachten wir, wie der feurige Sonnenball im Meer versinkt bis nur noch die rote Mondsichel über den Masten der Segelboote am Firmament leuchtet.

Griechenland Sagiada

Es ist einfach zu heiß am Meer! Wir beschließen, in die Berge zu fahren, ins Pindos-Gebirge. Dieses Hochgebirge erstreckt sich über 150 Kilometer in nordsüdlicher Richtung bis nach Albanien hinein und weist den zweithöchsten Berg Griechenlands, den Smolikas mit 2.632 Metern auf. Im Pindos-Gebirge liegt die berühmte Vikos-Schlucht, der tiefste Canyon der Welt. Wir machen uns auf den Weg und nehmen die Straße Richtung Eleousa/Ioannina.

Schildkröte

03 Das Dorf Polidroso und seine Bewohner
Nachdem wir den ersten großen Pass überwunden haben, machen wir Rast bei einem Kirchlein, vor dem sich unter einer schattigen Platane ein Brunnen mit einer aus Baumstämmen gezimmerten Sitzgruppe befindet. Wir finden auf der Bank einen kleinen Plastikelefanten und beschließen, ihn als Glücksbringer zu adoptieren. Warum nicht gleich hier die Nacht verbringen?

bei Polidroso

Gegen Abend machen wir einen Spaziergang hinunter ins Dorf Polidroso. Zwei junge Mädchen und deren kleiner Bruder sprechen uns auf Englisch an. Die Unterhaltung mit Fremden macht ihnen sichtlich Freude. Der Pope des Ortes ist ihr Vater und so werden wir gleich zu einer Kirchenbesichtigung eingeladen. Im Kircheninnern finden sich schöne Ikonostasen und Wandmalereien. Das Bild des heiligen Haralabos weist eine Besonderheit auf: Betrachtet man es von vorne, zeigt sich das Gesicht eines alten Mannes mit Bart, doch von der Seite sieht man ein kleines, weißes Gesicht, das an eine Totenmaske erinnert. Wir sind beeindruckt und spenden eine Kerze.

Polidroso Kirche

Nun machen uns die Mädchen auch das Dorfmuseum zugänglich. Es finden sich alte Kirchenschätze, Trachten, Küchengeräte, Werkzeuge. Besonders eindrucksvoll ist eine Abteilung im ersten Stock, die ausschließlich den Emigranten des Dorfes gewidmet ist, die schon Anfang des 20. Jahrhunderts bis nach Kairo auswanderten.

Beim Besuch des kleinen Dorf-Kafenions wird uns klar, dass Emigration auch heute noch das bestimmende Thema des Dorfes ist. Während die Wirtin uns ein Kotelett brät, füllt sich das Kafenion mit immer mehr Gästen. Jeder Neuankömmling grüßt uns. Die Alten schauen fern, die jüngeren spielen Karten und die Frauen sitzen auf Stühlen vor dem Kafenion und unterhalten sich lebhaft. Ein 80-jähriger kommt an unseren Tisch und erzählt, er habe dreißig Jahre in Deutschland bei Miele gearbeitet. An der Presse. Im Akkord. Ein klein wenig Bitterkeit schwingt in seinen Erinnerungen mit. Heute zwingt ihn seine Parkinsonerkrankung, die Bierflasche vorsichtig mit beiden Händen zum Mund zu führen.

Ein weiterer, etwas untersetzter Mann mittleren Alters gesellt sich zu uns. Er komme gerade aus Johannisburg, wo er im Baugewerbe tätig sei, lässt er uns wissen. Jedes Jahr um diese Zeit sei er hier, wie so viele Emigranten des Dorfes. Aus der ganzen Welt kämen sie, bis aus Australien. Denn in zwei Wochen werde der Dorfheilige gefeiert und diesen Festtag wollen sie gemeinsam mit ihren hier zurückgebliebenen Familien begehen. So sind wir in diesem kleinen griechischen Bergdorf, in diesem einfachen Kafenion, plötzlich mittendrin in einem internationalen Dorftreffen, das sich nach Wärme, Vertrautheit und Heimat anfühlt. Neben Stolz tragen diese weitgereisten Griechen auch Schwermut im Herzen.

Polidroso

Morgens bei der Weiterfahrt Richtung Zitza erinnern die Kriegerdenkmäler daran, wie schwer dieser Pass, auf dessen Sattel wir die Nacht verbrachten, im Zweiten Weltkrieg umkämpft war und wie viele Griechen hier den Tod durch die deutsche Wehrmacht fanden.

04 Lista und sein Nymphäum
Wir folgen dem Rat eines Kafenion-Besuchers und biegen nach nur acht Kilometern links über eine Brücke Richtung Lista ab. Etwa 22 Kilometer führt eine landschaftlich bezaubernde Berg- und Panoramastraße durch dichte Laubwälder bis vor einer kleinen Brücke ein Weg zu einem großen Platz hinunter führt. Hier fließen mehrere Wasserläufe zusammen und eine Quelle ist in einem großen Brunnen gefasst: ein richtiges Nymphäum, umschattet von mächtigen Bäumen. Der Platz dient auch heute noch als Festplatz, wie die zusammengestellten Plastikstühle beweisen. Ein wunderbarer Ort für das Nachtlager.
bei Lista Nympäum

Als dann zwei junge Angler vorbeikommen, wird der Abend perfekt. Wir bekommen zwei frisch gefangene Zander geschenkt, die gleich den Weg in die Pfanne finden. Die Griechen hätten es ja, meint einer der Beiden lachend, ironisch auf die Finanzkrise anspielend. Die Konversation in einem englisch-italienisch-deutsch-griechischen Kauderwelsch wird erleichtert durch ein Gläschen Rotwein.
Doch schon verdunkelt sich der Himmel und ein heftiges Gewitter zieht auf. Wir platzieren unseren VW-Bus etwas höher, weil sich das Wildbächlein in minutenschnelle in einen reißenden Fluss verwandelt hat und wir Angst haben, er könnte nachts über die Ufer treten.
 bei Lista Quelle

Der nächste Morgen begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein und Glöckchengebimmel. Letzteres stammt von einem braunen Pferdchen, das neben unserem Bus steht und uns neugierig mustert. Dieser Braune ist ja lustig! Er hat natürlich sofort raus, dass wir ihm wohlwollend und ziemlich wehrlos gegenüberstehen und macht sich einen Spaß daraus, uns zu ärgern. Immer wieder versucht er, uns ganz nahe auf die Pelle zu rücken. Dabei knabbert er schon mal an Hellmuts T-Shirt. Es fehlt bloß noch, dass er in den Bus steigt, Kopf und Hals sind schon drin. Dabei wirkt der Braune nicht aggressiv, aber so was von rotzfrech! Hellmut schnappt ihn sich am Halfter und führt ihn ein Stück weg. Doch sobald er ihn loslässt, macht das Pferdchen kehrt und baut sich wieder vor der Tür unseres Busses auf. Das geht eine ganze Weile so, bis ihn Hellmut weit über die Brücke führt. Ein Auto hält und ein Grieche fragt: „Is it yours?“ Nein, das ist er zum Glück nicht! Endlich entschwindet der Gute auf einen Waldweg…jetzt können wir frühstücken.
bei Lista Pferd

05 Das Pindos-Gebirge und die Vikos-Schlucht
Unser heutiges Ziel ist die Vikos-Schlucht. Wir nehmen ein kleines Nebensträßchen Richtung Ag. Marina. Weiter führt die Route durch das Pindos-Gebirge über Ieromnimi, Areti, Parakamalos – hier erstehen wir einen Drei-Kilo-Eimer wunderbaren Waldhonigs – Kalpaki, Elafotopos, Molachendri nach Vradeto. Hier beginnt die Vikos-Schlucht. Sie ist mit ihrer Tiefe von 900 Metern im Guinness-Buch der Rekorde als tiefste Schlucht der Welt verzeichnet. Vom Kloster Agios Panaskevi bietet sich ein überwältigender Ausblick in die Tiefen des Canyons und auf die Pindos-Bergwelt.
Vikos Schlucht

Zurück in dem sehr hübschen Ort Monodendrion stärken wir uns mit einem kleinen Imbiss, bevor wir zum Wasserfall von Oxya aufbrechen. Auch hier bieten sich nach einem kurzen Stück Fußweg wunderbare Einblicke in die Schlucht.
Monodendrion

In Oxya endet die Straße. So fahren wir zurück und über Monodendri nach Aristi, ein beschaulicher Gebirgsort mit einer von Platanen beschatteten Taverne, in der wir vorzügliches Mousaka und köstlichen griechischen Bauernsalat zu Mittag essen. Nun geht’s weiter in den noch höher gelegenen Ort Vikos. Am Ortseingang sind die Wanderwege ausgeschildert: Nach Monodendri läuft man sechs Stunden, hinauf nach Papirgo zwei und nach Klemo drei Stunden. Wir wählen den kürzesten Weg, der eine halbe Stunde steil hinunter zum Aoos-Fluss und zur Kirche des Theotokos Koimesis führt. Obwohl der anschließende Aufstieg recht mühsam ist, bereuen wir die kleine Wanderung nicht. Beim darauf folgenden Rundgang durch das urige Bergdorf Vikos entdecken wir einige nette Tavernen.
Vikos Schlucht Kirche Theotokos Koimesis
Vikos

In jedem Ort stellen sie den Mittelpunkt dar, die Kafenions und Tavernen, meist unter einer schattigen Platane gelegen, in denen sich die Dorfbewohner treffen. Die Griechen sind halt ein kommunikatives Völkchen!

Vikos Schlucht

In der Bergwelt des Pindos-Gebirges gibt es noch etliche hübsche Bergdörfer zu entdecken. Eines der malerischsten ist Papingo, das man über Aristi erreicht. Jetzt am Nachmittag zieht ein Gewitter auf und es fängt an zu tröpfeln. Doch davon lassen wir uns nicht aufhalten. Zuerst fahren wir zum Fluss hinunter und überqueren ihn auf einer kleinen Brücke, dann geht es in steilen Kehren hinauf nach Papingo und noch höher in das zauberhafte Mikro-Papingo. Von hier macht sich gerade eine Jugendgruppe aus Athen an den Aufstieg zu einer drei Stunden entfernten, an einem Bergsee gelegenen Hütte, in der die Jugendlichen übernachten wollen.
Von Mikro-Papingo aus erfolgt unter anderem auch der Aufstieg zur Provatina-Höhle (3,5 Std.) und zum Gamila-Gipfel (5,5 Std.). Ein Paradies für Bergwanderer!
Papingo

Doch das ist heute nicht unsere Sache. So fahren wir zurück und machen uns auf die Suche nach einem Lagerplatz. Endlich werden wir fündig. Ein kleiner Weg führt auf eine Wiese, die von der Straße her nicht einsehbar ist. Als dann wieder das obligatorische Abendgewitter aufzieht, heißt es “Kale nichta”!
bei Vikos

06 Auf archäologischem Gelände
Auf die verregnete Nacht folgt ein strahlend sonniger Morgen. Wir unternehmen einen kleinen Spaziergang auf einen sanft geschwungenen Hügel und da wird uns klar, dass wir uns auf archäologischem Gelände befinden. Unter den mit Gras überwachsenen Hügeln befinden sich die Überreste von antiken Gebäuden. Wir suchen uns einen Weg hinauf zur höchsten Stelle, vormals wohl die Akropolis.
bei Vikos

Unsere Wiese ist so wunderbar, dass wir beschließen, länger zu bleiben. Auf diesem Schutthaufen der Antike blühen so hübsche Disteln und eine Vielfalt anderer farbenprächtiger Blumen, die Schmetterlinge aller Art anlocken. Wir fühlen uns wie Adam und Eva vor dem Sündenfall.
bei Vikos

Nachmittags kommt ein alter Hirte mit seiner Herde vorbei. Wir laden ihn zu einem Glas Wein und einer Zigarre ein. Beides nimmt er zwar an, aber nur, um es nach kurzer Zeit mit einigem Abscheu wegzulegen.

Dann kommt auf diesem so abgelegenen Feldweg ein Auto mit einem Pärchen vorbei. Sie fahren bis zum Ende des Weges, steigen aus dem Auto und machen sich über die Hügel davon. Kurze Zeit später ist es dann ein Motorradfahrer, der an uns vorbeifährt, um am Ende des Wegs sein Motorrad abzustellen und auch über die Hügel zu entschwinden. Hier ist ja was los! Was machen die denn da alle? Wir ergehen uns in den dunkelsten Mutmaßungen. Ist nicht die Grenze zu Albanien ganz nah? Wird hier geschmuggelt? Rauschgift? Menschen? Und dieser Vogel, der gestern so klar und eindringlich pfiff? War das wirklich ein Vogel oder ein menschliches Warnsignal?

Dann kommen zuerst die Autofahrer, später der Motorradfahrer zurück. Letzterer hält bei uns an und schenkt uns ein Sträußchen – Oregano! Doch so leicht lassen wir uns von unserer Schmugglertheorie nicht abbringen. Oregano! Das wir nicht lachen! Damit kann man uns doch nicht täuschen! Nein, so dumm sind wir nicht, dafür haben wir viel zu viele Krimis gelesen. Und da fährt schon das nächste Auto an uns vorbei, ein Suzuki mit vier Personen, die am Ende des Weges aus dem Wagen aussteigen und Richtung Hügel marschieren…
bei Vikos

Endlich sind wir wieder alleine auf unserer Wiese und es bricht die Dunkelheit herein. Wir sitzen gemütlich bei Wein und Zigarre. Da bemerke ich, wie sich Lichter von Tieren zwischen den Büschen bewegen. Sie huschen hin und her, mal leuchten sie dort, mal da auf. Wie viele sind es? Sind sie gefährlich? Werden sie angreifen? Es werden immer mehr und… endlich kommen wir drauf: Es sind Glühwürmchen! Tja, so eine Nacht in der freien Natur kann die Fantasie enorm beflügeln.

Und auch unsere Schmugglertheorie löst sich am nächsten Morgen endgültig in Wohlgefallen auf. Da kommt ein Pickup, der Fahrer steigt aus und hilft vier Frauen von der Ladefläche. Alle machen sich auf den Weg Richtung Hügel… Wir folgen ihnen mutig, doch mit vorsichtigem Abstand… und entdecken: Die Frauen haben sich auf eine hinter dem Hügel liegende Wiese verteilt und ernten emsig den wunderbaren Berg-Oregano, den sie in große Säcke packen. Zu hübschen Sträußchen gebunden wird er in den Souvenirläden der Dörfer zum Verkauf angeboten.
bei Vikos

Beruhigt brechen wir zur Besichtigung des Klosters Moni Panagia Spileotissa auf, das unten am Fluss liegt. Nachdem wir das Auto an einer Schranke abgestellt haben, folgen wir einem Fußweg durch eine wunderbare Auenlandschaft bis zum Kloster, das man auch von innen besichtigen kann. Vom Glockenturm hat man einen grandiosen Ausblick auf die Flusslandschaft.
Kloster Panagia Spileotissa

07 Ioannina und die Tropfsteinhöhlen von Perama
Nun verlassen wir die Bergwelt und fahren nach Ioannina, das direkt am Pamvotis-See liegt, an dessen Ufer sich ein hübscher Campingplatz findet (24,00 €/Nacht). Nachdem wir getankt, eingekauft und uns am Automaten mit Geld versorgt haben, fahren wir zu den zwei Kilometer entfernten Tropfsteinhöhlen von Perama. Es startet gerade eine Führung. 45 Minuten lang führt ein Anstieg durch die wunderbare Welt der Stalagmiten und Stalaktiten wieder ans Tageslicht. In den Souvenirläden, die sich rund um den Eingang der Tropfsteinhöhle angesiedelt haben, erstehe ich Silberohrringe und CDs mit griechischer Musik. Freudig drückt mir der Händler den Kassenzettel in die Hand: „This is for Mr. Papandreou!“

Der nächste Tag gehört der Stadtbesichtigung. Ioannina wurde 1430 von den Türken erobert und stieg zwischenzeitlich sogar zum Sultanssitz auf. Ein buntes Völkergemisch lebte in der quirligen Handelsmetropole. Wir machen uns auf in die verwinkelten Gassen der Altstadt, die noch stark von der fast 500 Jahre andauernden osmanischen Zeit geprägt ist.
 Ioannina Ali-Pascha-Mausoleum

Wir durchqueren ein großes Tor in der Umfassungsmauer der ehemals mächtigen Festung und befinden uns im Inneren der weitläufigen Palaststadt. Von weitem sehen wir das Ali-Pascha-Mausoleum, eine ehemalige Moschee mit Minarett, aufragen. Ali Pascha stammte aus der Stadt Tepelene im heutigen Albanien. Nachdem er von der Hohen Pforte Ende des 18. Jahrhunderts als Gouverneur in Epirus eingesetzt worden war, machte er sich bald vom Osmanischen Imperium unabhängig und baute sein eigenes Reich auf, das Teile des heutigen Nordgriechenlands und Südalbaniens umfasste. Die schillernde Persönlichkeit des „Löwen von Ioannina“ hat Lord Byron, der einige Zeit an Ali Paschas Hof in Ioannina zu Gast war, in seinen Erzählungen beschrieben. 1822 wurde Ali Pascha von den Osmanen ermordet.

 Ioannina Ali-Pascha-Mausoleum

Neben dem Mausoleum befindet sich das sehenswerte Byzantinische Museum mit einer wunderbaren Ikonen-Sammlung. Dann geht es entlang der inneren Stadtmauer zur Aslan-Ağa-Moschee, in der das Ali-Pascha-Museum untergebracht ist. Unterhalb befindet sich die leider nicht zugängliche alte osmanische Bibliothek.

Jetzt spazieren wir zur außerhalb des Burgbezirks gelegenen Anlegestelle, von der die Boote zur Klosterinsel abfahren. Die Klöster, die sich auf dem Inselchen befinden, werden heute noch bewirtschaftet.
Ioannina

Zurück von diesem Ausflug schlendern wir entlang der von Cafés und Restaurants gesäumten Seepromenade, um uns eine nette Taverne für das Abendessen zu suchen.

08 Das Baumheiligtum von Dodona
Am nächsten Tag, der noch ein bisschen heißer zu sein scheint als der vorhergegangene, geht es weiter nach Dodona, das älteste und nach Delphi bedeutendste Orakel im antiken Griechenland. Dodona ist ein Zeus geweihtes Baumheiligtum: Der Gott tat sich im Rauschen der Eichenblätter und in der Flugformation von Tauben kund. Der heutige Baum, der sich innerhalb der Überreste der Umfassungsmauer des Zeus-Tempels befindet, ist vor noch nicht langer Zeit gepflanzt worden. Die ursprüngliche heilige Eiche wurde einst von glaubenseifernden Christen gefällt.
Dodona Festungsmauern

Innerhalb der Ausgrabung beeindrucken die gewaltigen Festungsmauern und die Überreste des Theaters, das mit seinen 18.000 Plätzen eines der größten im antiken Hellas war. Daneben sind die Grundmauern von einigen Tempeln und Gebäuden erhalten.
Dodona Theater

Jetzt ärgert es uns, dass wir nicht im Archäologischen Museum von Ioannina waren. Dort sind die Fundstücke von Dodona ausgestellt, wie zum Beispiel Bleitäfelchen, die belegen, dass hier auch mittels Los geweissagt wurde.

09 Besuch der Meteora-Klöster
Die Meteora-Klöster haben wir uns hoch in den Bergen vorgestellt. Doch was müssen wir erleben: Sie erheben sich aus einer Ebene, die laut Reiseführer als der heißeste Flecken Griechenlands gilt. Als die ersten Felsnasen in Sicht kommen zeigt das Thermometer bereits 45° C an. Bei dieser Hitze macht das alles keinen Sinn. Wir steuern nach Kalambaka, auf der Straße nach Trikola, einen Campingplatz an: „Camping Rizos International“. Er liegt sehr nett, hat schattige Plätzchen und: einen Pool! Das alles für 17 EUR/Nacht. Der restliche Tag wird im Pool verbracht und ist somit gerettet.
Meteora

Am nächsten Morgen machen wir uns vor acht Uhr auf den Weg hinauf zu den Klöstern, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen. Schon bei der Anfahrt macht mancher Blick auf die auf Felsnadeln errichteten Bauwerke schwindeln. Die ersten Eremitagen sollen schon im 11. Jahrhundert gegründet worden sein. Heute sind es 24 Klöster, von denen aber nur noch ein kleiner Teil bewohnt ist. Unser erster Weg führt uns zum Kloster des Hl. Stefanos, ein Frauenkloster. Das Kloster, das etwa um 1400 gegründet wurde, ist umgeben von einer gepflegten Gartenanlage. Eine junge Nonne öffnet uns und den Japanern, die zwei gerade angekommenen Bussen entsteigen, die Kirche.
Meteora S.Stefano

Nur ein kleines Stück weiter befindet sich das ebenfalls noch bewohnte Kloster Agia Triada, das einst nur mittels Strickleitern und Seilwinde zugänglich war und das als Kulisse für den James-Bond-Film „In tödlicher Mission“ diente. Wir erreichen das Kloster, das man auch innen besichtigen darf, über einen kleinen Fußweg. Eine Lore dient noch heute dem Warentransport.
Meteora Ag.Trinidate

Nun noch in das Kloster Megalo Meteoro. Ein Fußweg, der zum Teil steil über in den Fels gehauene Treppen bergan führt, bringt uns zum Klostereingang mit der Einsiedlerhöhle des Athanasius. Die Mönche begrüßen uns freundlich. Besonders sehenswert sind die Fresken in der Hauptkirche des Klosters.
Meteora Ag.Trinidate

Bei der anschließenden Autofahrt zu den restlichen Klöstern halten wir mehrmals, um Felsvorsprünge zu erklettern, von denen sich immer neue Blickwinkel auf die auf steilen Felsen thronenden Klöster ergeben. Bei der Weiterfahrt entdecken wir ein in den Fels gehauenes „Tuch-Kloster“, dessen Zugang mit bunten Tüchern geschmückt ist und an Tibet erinnert. Daneben kann man überall im Fels kleine Höhlen ausmachen, die als Einsiedlerunterschlupfe dienen. Die Welt ist hier eine andere.

Zurück beim Kloster Agios Triada nehme ich mit Wolfi den Fußpfad, der durch einen schattigen Wald hinunter in den Ort Kalambaka führt. Wir sind eine gute halbe Stunde unterwegs, ehe wir beim Kloster Kimisis tis Theotokou ankommen. Dort wartet Hellmut mit dem Auto auf uns. Vom Kloster ist nur noch die Kirche erhalten, in der gerade eine Taufe stattfindet. In und vor der Kirche sind viele festlich gekleidete Menschen versammelt. In der etwas düsteren und jetzt nur von Kerzen erleuchteten Kirche herrscht eine feierlich-mystische Stimmung. Ein kleiner, etwas rundlicher Pope mit roten Bäckchen und wallendem, weißem Bart bekreuzigt und salbt den zu taufenden Knaben. Dann bindet sich der Pope eine Plastikschürze um und taucht das nackige Kind dreimal tief in das Taufbecken. Der etwa ein Jahr alte Junge schaut nur verdutzt, nicht ein Schrei entringt sich seiner Kehle. Die Taufpatin hält trockene Tücher bereit, in die das Kind gewickelt wird.
Bisher fesselte das Ritual meine ganze Aufmerksamkeit, doch jetzt ist es an der Zeit, das außergewöhnlich gestaltete Kircheninnere und die wertvollen Fresken zu betrachten.

Inzwischen ist es Mittag geworden. Auf einem hübschen Platz in Kalambaka wählen wir unter den vielen einladenden Restaurants eines aus, das besonders schattig liegt. Die Speisekarte ist auch hier nicht besonders fantasievoll und so belassen wir es einmal mehr bei Mousaka mit Bauernsalat.
Meteora

10 Durch die Bergwelt des Pindos-Gebirges zurück nach Ioannina
Nach einer weiteren Nacht auf dem Campingplatz fahren wir weiter nach Trikola, wo wir die alte, von dem genialischen osmanischen Baumeister Sinan im 16. Jahrhundert erbaute Moschee besichtigen wollen. Die Moschee erweist sich als Enttäuschung. Sie ist geschlossen und das Bauwerk und seine Umgebung wirken ungepflegt. Also dann auf ins ehemalige Bazar-Viertel zu einem erfrischenden Frapé, das ist ein eiskalter Nescafé. Sehr gastfreundlich ist der fast überall gepflegte Brauch, dem Gast noch vor einer Bestellung ein Glas frisches Wasser zu servieren. Bei dieser Hitze eine Wohltat.

Trikola

 

Weiter geht es in die Ortschaft Pyli. In der “Taverna Oyzeri” lassen wir uns ein exzellentes Mittagessen schmecken, bevor wir zur Kirche Panagia Porta aus dem 13. Jahrhundert aufbrechen. Gleich am Ortsende geht es bei einem großen Baum rechts ab. Doch leider: Die Kirche ist geschlossen und so halten wir auf einer Bank im Klostergarten eine kleine Siesta.

Es ist einfach zu heiß und deshalb zieht es uns zurück ins Gebirge. Wir machen uns durch die bewaldeten Berglandschaften des Pindos-Gebirges auf den Rückweg nach Ioannina.
bei Petrouli

Immer wieder durchfahren wir Ortschaften, die mit vielen Läden, Restaurants und Hotels aufwarten. Elati sei hier als Beispiel genannt für die Orte, in denen Touristen die Sommerfrische genießen. Wir dagegen finden unseren Schlafplatz auf einer schattigen Lichtung im Wald.

Bei Elati

Am nächsten Tag erreichen wir Petrouli. Das ist ein hübscher Ort mit einem Kirchlein vor einer wunderbaren Felskulisse und netten Tavernen. Auf der weiteren Fahrt durch die Berge begegnen wir einem Imker, der sich sehr über unser Interesse an seinen Bienenvölkern freut. Gerne erklärt er, dass er die Honigwaben in den Kästen kontrolliert um sicherzugehen, dass sich dort keine Pilze festgesetzt haben. Die letzten Wochen hätte es zu viel geregnet.

Imker

Bei der nächsten T-Kreuzung nehmen wir die Straße nach Katafito (6 km) und Haliki (16 km). Die Straße verläuft rechts neben einem Flüsschen und schon nach kurzer Zeit führt ein Sandweg hinunter zum Fluss. Wir finden eine Furt und schlagen auf einer Wiese an der anderen Uferseite unterhalb eines Berges das Lager auf. Die Gelegenheit ist günstig, im Flüsschen unsere Wäsche zu waschen. Anschließend werden die Wäschestücke zum Trocknen auf den Kieseln des Flussbetts ausgebreitet.
bei Katafito

Als wir nach dem Abendessen gemütlich beisammen sitzen, sagt Hellmut plötzlich: „Das Wasser steigt!“ – und tatsächlich: Unser kleines Flüsschen hat sich schon über den ganzen Kieselstrand ausgebreitet und verwandelt sich zusehends in eine immer bedrohlicher ansteigende, reißende, braune Brühe, die sich gurgelnd das Flussbett hinunter wälzt. Es muss hoch in den Bergen ein Gewitter gegeben haben und wir bekommen nun das Hochwasser ab, obwohl bei uns schönstes Wetter herrscht. Unsere Furt ist nicht mehr vorhanden und somit der Rückweg abgeschnitten. Weiter nach hinten können wir nicht ausweichen, da ist nur die Bergwand. Noch ein halber Meter, dann hat uns das Wasser erreicht. Wir sitzen da und starren auf den ansteigenden Wasserpegel wie das Kaninchen auf die Schlange. Endlich, ist ist mittlerweile fast 9 Uhr, verkündet Hellmut: „Es steigt nicht mehr“ – und geht ins Bett. Ich traue dem Frieden nicht und sitze mit einem Buch noch bis Mitternacht, um viertelstündlich mit der Taschenlampe den Wasserstand zu kontrollieren. Dann bin auch ich beruhigt und lege mich schlafen.

 bei Katafito

Wir erwachen bei strahlendem Sonnenschein und auch unser Bächlein ist wieder das alte. Nun aber nichts wie weg von hier.

Die Straße folgt dem Flusslauf. Schon bald zweigt links eine Piste nach Kolaritis (20 km) ab, die entlang einer Schlucht quer durch das Gebirge führt. Den Gebirgssattel erreichen wir laut GPS bei ca. 1900 m. Ab hier ist die Fahrbahn wieder geteert und es geht zügig bergab, vorbei an bewirtschafteten Almen mit Kühen, Schafen, Ziegen. Die letzten zwei Stunden ist uns genau ein Auto begegnet und seit den Meteora-Klöstern haben wir keine Touristen mehr getroffen.
nach Kolaritis

An einer Kehre ist die Kouissa-Steinbrücke ausgeschildert. Wir folgen zu Fuß etwa fünf Minuten einem kleinen Pfad und stoßen dann auf die über eine Wildwasserschlucht führende, malerische alte Steinbrücke.

Kouiassa Steinbrücke

Bei einem Halt an einem Brunnen entdecken wir über uns das von Mönchen in den steilen Hang gebaute Monasterion von Kipinas. Das Kloster klebt wie ein Schwalbennest am Fels.

Kipinas Kloster

Unser nächstes Ziel ist die Ortschaft Syrrako. Die von links zum Dorf führende Straße mündet in einen wunderschönen alten Fußweg, der in eine steinerne Brücke übergeht, über die man Syrrako erreicht. Wir befinden uns in einer wunderbaren und gut beschilderten Wandergegend.

Fußweg nach Syrako

Dann geht es hinaus aus dem Gebirge. Kurz vor dem Ort Kedros finden wir auf einem Hügel einen Lagerplatz mit Blick hinunter in die Ebene von Ioannina mit dem Pamvotis-See, hinter dem gerade die Sonne untergeht.

11 Zur albanischen Grenze
Über Ioannina und Kalpaki geht es Richtung Konitsa. Vor uns taucht das inmitten des nördlichen Pindos-Gebirges an einen Hang geschmiegte Konitsa auf. Noch vor dem Ort geht rechts eine Abzweigung ab zur alten osmanischen Steinbogenbrücke, die den Aoos überspannt. Die Brücke ist in einem guten Zustand und wir überqueren sie. Auch entlang des Aoos’ entdecken wir schöne Wanderwege.
Brücke von Konitsa

Im Städtchen selbst kann man noch einige alte osmanische Häuser und die Ruinen der aus dem 16. Jahrhundert stammenden Moschee besichtigen.

Von Konitsa aus sind es nur noch 15 Kilometer bis zur albanischen Grenze. Als einziger Hinweis, dass es auf dieser Straße nach Albanien geht, findet sich ein kleines Schild mit der Aufschrift „Custom“. Kurz vor der Grenze folgen wir der Ausschilderung zur Kirche Moni Molivdoskepastis, die gleich rechts nach der Abzweigung versteckt zwischen Bäumen liegt und leider geschlossen ist. Also dann auf zur Grenze.

12 IN ALBANIEN
„Custom Post of Mertziani“ ist angeschrieben: Und da liegt er vor uns, der großräumige Grenzübergang mit einem kleinen, aber feinen Duty-Free-Laden. Fünf Havanna Zigarren erstehen wir für 8,60 EUR und eine neue Wimperntusche ist auch noch drin.
Albanische Flagge

Weiter führt die Landstraße entlang des Vjosa-Tals (Vjosa heißt in Albanien der Aoos), gesäumt von den militärischen Ein-Mann-Bunkern aus der Hoxha-Zeit. In Perat, dem ersten Dorf nach der Grenze, machen wir halt und bestellen einen Frapé. Es liegt der Duft von frischem Lammbraten in der Luft und am Nebentisch löffeln zwei Albaner das Hirn aus einem gebratenen Lammschädel. Hinter dem Haus findet sich das restliche Tier an einem Drehspieß über offenem Feuer. Wir lassen uns zwei Portionen Lammbraten einwickeln und nehmen sie mit fürs Abendessen. In Perat gibt es auch eine Tankstelle.

Perat Albanien

Das Sträßchen Richtung Përmet folgt weiter dem Vjosa-Tal hinauf in eine gigantische Bergwelt. Wir biegen auf einen Kiesweg ab, der hinunter in die Flussauen führt, wo wir unter großen Bäumen mit Sicht auf mächtige Stromschnellen einen wunderbaren Lagerplatz finden. Auch in dieser Gegend muss es starke Unwetter gegeben haben. Dicke Baumstämme und zu Kleinholz geborstene Äste türmen sich zu gewaltigen Bergen.

an der Vjosa

Wir lassen den Tag ausklingen bei Lammbraten mit Brot und Salat, einem guten Tropfen Wein aus dem Duty-Free-Laden und einer erstklassigen Havanna-Zigarre, untermalt wird das Ganze vom Rauschen der Vjosa.

Vjosa Albanien

13 Durch die albanische Bergwelt
Gemächlich gondeln wir weiter durch die albanische Bergwelt, vorbei an Dörfern, Kühen, Ziegen und Schafen. Der CD-Player berieselt uns mit rhythmischer albanischer Musik. Es gibt kaum Verkehr. In Albanien sind die bevorzugten Fortbewegungsmittel Esel oder Mercedes.
Albanische Bergwelt

Kelcyre ist ein netter Ort mit Moschee und vielen Läden. Albaner sitzen in den Cafés und unterhalten sich. Die trächtige Dorfsau ist allein auf der Straße unterwegs und geht davon aus, dass man ihr ausweicht.

Keleyre Albanien

Als nächstes erreichen wir das Städtchen Tepelena mit einem alles überragenden Ali-Pasha-Denkmal, das an den berühmtesten Sohn der Stadt erinnert. Am Ortsende geht es geradeaus Richtung Vlora. Unser nächstes Ziel ist die antike illyrische Siedlung Amantia.

Tepelena Albanien

Als sich nach Dukag Piba die Straße gabelt, nehmen wir nicht die linke Teerstraße nach Salari, sondern die Piste, die rechter Hand bergab führt. Schon bald finden sich auf einem Hügel rechts der Straße Reste einer antiken Siedlung. Bei Plose führt die Straße, die zum Teil noch die antike Pflasterung aufweist, über eine Brücke, neben der man Reste der alten römischen Brücke ausmachen kann.

Nach etwa 33 Kilometern auf Bergstraßen kommen wir durch das Dorf Sinanaj. Hier halten wir uns links und folgen der antiken Pflasterung steil bergauf. Geländegang ist angesagt. An der höchsten Stelle zweigt nach rechts unten ein Pfad ab, ein Wegweiser zeigt Tequejadorez an. Es ist schon spät und wir beschließen, hier unser Nachtlager aufzuschlagen. Rechts am Hang grasen wenige Kühe, nicht weit davon zeichnen sich Überreste eines antiken Gebäudes im Gelände ab. Der Blick geht ins weit unten liegende Tal, durch das die Vjosa mäandert. Seit längerer Zeit ist uns kein Auto mehr begegnet. Sind wir hier überhaupt auf der richtigen Straße? Das GPS zeigt 600 Höhenmeter an.
bei Tequejadorez

Da bekommen wir Besuch von einem Mann in mittleren Jahren, der sich als Hakim vorstellt. Hakim gehört zu den Kühen beziehungsweise die Kühe zu ihm. Er hat einige Jahre in Italien gearbeitet und so können wir bei einem Glas Wein ein bisschen auf Italienisch palavern. Er sagt, wir sollen nachts Wolfi im Auto lassen, denn es gäbe hier Wölfe und das könnte für ihn gefährlich werden.

14 Die antike illyrische Siedlung Amantia
Am nächsten Morgen folgen wir weiter der Straße mit der antiken Pflasterung. Sie führt weg vom Flusstal, vorbei an den Dörfern Sevaster und V-Nashar. Überall Ziegen-, Schaf-, Kuh- und Pferdeweiden. Endlich ist Amantia ausgezeichnet und wir fahren zum Archäologischen Park, der sich über einen Hügel erstreckt. Unterhalb ist bereits das Stadion zu besichtigen.
Amantia Stadion

Ein vielleicht 16-jähriger Junge kommt uns auf seinem kleinen Pferd entgegen. Er spricht gut Englisch und stellt sich als Ardit vor. Bald gesellt sich sein jüngerer Bruder Bos dazu. Ardit ist ein sympathischer und aufgeschlossener junger Mann. Man sieht auf den ersten Blick, dass ihn mit seinem Pferdchen, das er ohne Sattel reitet, eine enge Freundschaft verbindet. Es sei sein bester Freund, lässt er uns wissen. Er ermuntert uns, hinauf nach Amantia zu gehen. Dort wohnten Verwandte von ihm.
Ardit und Bos

Nach etwa zehnminütigem Fußmarsch erreichen wir die Anhöhe. Und tatsächlich findet sich innerhalb der antiken Reste ein einfacher Weiler. Eine ältere Bäuerin begrüßt uns und reicht uns ein Glas Buttermilch zur Erfrischung. Ob wir Käse kaufen möchten? Warum nicht. Sie nimmt mich mit ins Haus, wo sie unter einem Bett einen Eimer hervorholt, in dem in einer Lake der Schafskäse aufbewahrt wird. Sie lässt mich probieren: Der Käse schmeckt fantastisch. Nun folgt eine kleine Dorfführung, zu der sich auch ein älterer Nachbar und dessen Sohn gesellen. Wir loben die hübschen Blumen und das schöne Federvieh.
Amantia Bäuerin

Endlich können wir die Reste des antiken Amantia, eine im 4. Jahrhundert v. Chr. von Illyrern gegründete Siedlung, besichtigen. Später wurde die Stadt hellenisiert, bevor sie unter römische Herrschaft kam und im 6. Jahrhundert aufgegeben wurde.

Auf unserem Rückweg zum Auto bewundern wir die kunstvoll über den Weg gespannten Spinnennetze und eine äußerst interessante Wolkenformation, die sich über dem Hügel von Amantia ausbreitet.
Amantia Spinne

15 Nach Vlora und entlang der adriatische Küste
Nach weiteren 50 Kilometern Piste erreichen wir wieder die Teerstraße und schon bald kommt der Fluss Shushices in Sicht. An einer Kreuzung geht es rechts nach Vlora.
Shushices Tiertränke

Seit unserem letzten Besuch vor etwa zwei Jahren hat sich Vlora beträchtlich vergrößert. Wir versorgen uns in einem Laden mit Wein, Margarine und Milch, bezahlen in Euro und lassen uns das Wechselgeld in Lek, der albanischen Währung, herausgeben. In einem kleinen Restaurant am Meer genießen wir ein vorzügliches Mittagessen bevor wir Vlora in südlicher Richtung verlassen.

Die Straße führt zuerst entlang der Küste, dann durch den bergigen Llogara-Nationalpark. Heute ist Sonntag und viele Sommerfrischler sind unterwegs. Neben Albanern sieht man italienische und französische Wohnmobile und Urlauber aus osteuropäischen Ländern.

Nachdem wir einen steilen, langen Pass hinter uns gelassen haben, biegen wir rechts auf eine Sandstraße zum Meer ab. Auf meinen Wunsch hin fahren wir recht dicht ans Wasser und bleiben prompt im Sand stecken. Wir campen hier und hoffen auf eine morgige Rettung.
Albanischien Adria

Der Strand ist wunderschön, auch relativ sauber, und das Meer einfach fantastisch. Außer unserem gibt es noch ein paar andere Wohnmobile, aber die meisten Strandbesucher sind Tagesausflügler und verlassen abends den Strand.

Am nächsten Morgen leisten deutsche Wohnmobilisten und ein polnischer Geländewagenfahrer Nachbarschaftshilfe und ziehen unseren Camper aus dem Sand auf sicheren Kieselgrund.
Albanien Adria

Zwei Tage Strandurlaub werden uns gut tun.

16 An der albanischen Riviera
Ausgeruht geht es weiter Richtung Saranda, vorbei an schönen Badebuchten, einige mit Sonnenschirmverleih und Cafés. In allen Ortschaften werden Ferienzimmer von privat angeboten. Wir verlassen die im Landesinnern verlaufende Schnellstraße und versuchen, so dicht wie möglich entlang der malerischen Steilküste zu fahren. Dieser Küstenabschnitt ist nicht ohne Grund als „albanische Riviera“ bekannt.
Albanische Riviera

Am Straßenrand bieten Händler an kleinen Verkaufsständen Honig feil. Bei einem jungen Mann kaufen wir ein Glas. Es handelt es sich um den besten Honig, den wir jemals gekostet haben – mit einem intensiven Macchiageschmack, einem Kräuter-Sonne-Meer-Aroma.

Um die Fahrzeuge innerhalb der Ortschaften zum Abbremsen zu bewegen, sind hier – anstatt der bei uns bekannten Schwellen im Straßenbelag – dicke Taue über die Straße gelegt. Nette Idee!

Kurz nach Himara machen wir in Qeparo in dem kleinen Restaurant Odhisea Mittagspause. Man brät uns frischen Fisch. Hier kann man sich auch einmieten, ein Zimmer mit großer Terrasse zum Meer kostet in der Hochsaison 40, in der Nebensaison 25 EUR.
Qeparo

17 Saranda und das antike Buthrotum
Im touristischen Saranda ist ein ungeheurer Bauboom ausgebrochen. Doch etliche Häuser an der neuen Straße Richtung Buthrotum sind noch als Rohbau wieder eingestürzt. Da hat sich wohl ein Statiker verrechnet, so vermuten wir. Erst später erfahren wir, dass es sich um eine politische Maßnahme handelte: Schwarzbauten wurden von der Regierung wieder platt gemacht..
Butrint einstürzende Neubauten

Nur Buthrotum ist immer noch so malerisch wie wir es in Erinnerung hatten. Die Ausgrabung der antiken Siedlung mit ihrem wunderbaren Theater, der schönen Akropolis, dem Baptisterium und den unvergleichlichen Bodenmosaiken ist immer wieder einen Besuch wert.
Butrint Dreiecksburg

18 Wieder in Griechenland
Wir setzen mit einer auch antik anmutenden Autofähre über den Kanal von Butrint und folgen anschließend einem kleinen Sträßchen, das kurz vor der griechischen Grenze auf die neu ausgebaute Landstraße stößt. Der Grenzübergang gestaltet sich problemlos und nur fünf Kilometer nach der Grenze finden wir uns in unserer altbekannten Badebucht bei Sagiada wieder.
Kanal von Butrint

Am letzten Tag unserer Reise wird in Igoumenitsa noch eingekauft: Feta, Halva, Wein und sonstige Süßigkeiten (besonders lecker: Hirseriegel mit Honig). Dann begeben wir uns zum großen Parkplatz am Hafen, um auf die Ankunft unserer Fähre zu warten. Plötzlich ertönen Sirenen und ein Polizeiauto schießt heran. Es macht Jagd auf schwarze Jugendliche, die hinter einem Lkw hervorlugen, bevor sie auf und davon stoben. Das Polizeiauto dreht ab. Kaum ist es außer Sichtweite, schleichen sich die Jugendlichen wieder an, der Polizeiwagen erscheint erneut mit Tatütata und das Katz- und Mausspiel, dessen Sinn sich uns nicht wirklich erschließt, beginnt von neuem. Auf welchen Wegen mögen diese jungen Schwarzen bis hierher gekommen sein? Was mögen sie schon alles erlebt haben? Wie schwierig muss eine Flucht sein, wenn jeder schon von weitem den Illegalenstatus an der Hautfarbe erkennt?

Da kommt unser Schiff in Sicht. Bald sind wir an Bord und wieder auf den Weg nach Brindisi. Am frühen Morgen werden wir in Italien ankommen.

 

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